Mittwoch, 21. Dezember 2011

What's Up Canberra?!

Wenn man ein Auslandssemester bzw. -jahr unternimmt, gehört ja immer ein obligatorischer Abstecher in die Hauptstadt dazu. Also nahmen meine neue Mitbewohnerin Natalya und ich uns in der letzten Woche einen Zwei-Tages-Trip nach Canberra vor.
Die Planung verlief allerdings eher abschreckend. Von den meisten Leuten wird man gefragt, was man da denn will, Natalyas 408-seitiger Lonely-Planet-Australien-Reiseführer erwähnt Canberra mit keiner Silbe und in der Stadtteilbibliothek erklärte mir die Mitarbeiterin, sie könne sich nicht erinnern, jemals einen Canberra-Reiseführer gesehen zu haben: "It's just such a small city", wo die Rush Hour nur zehn Minuten dauere.

Na da schlägt die Vorfreude doch Purzelbäume!

Etwas  skeptisch saßen wir also morgens um 7 Uhr im Reisebus und wähnten der Dinge, die dort kommen sollten. Kaum zu glauben, aber es war tatsächlich mein erster Ausflug hinter die Stadtgrenze Sydneys und wenn ich nicht geschlafen habe (wer um 7 mit dem Bus fahren will, sollte vielleicht bedenken, dass man dann um 5 aufstehen muss...), habe ich die die hügelige Landschaft mit ihrem saftig grünen Farbton und zeitweiligem Toskana-Touch beguckt.

 
Canberra zeigt sich bei der Ankunft von seiner langweiligsten und hässlichsten Seite: lauter 60er und 70er Jahre Bürobauten in grau, beige und braun... 

Weil sich die Aussis aufgrund der bis heute andauernden Konkurrenz zwischen Melbourne und Sydney nicht für eine Haupstadt entscheiden konnten, wurde Canberra ( "Kamberra" = aboriginal: Treffpunkt, Versammlungort) erst 1913 zur Haupstadt gekürt. Es dauerte noch über 50 Jahre, bis die Pläne des amerikanischen Architekten Walter Burley Griffin nach dem Vorbild von Washington D.C. umgesetzt wurden. Darüber, ob es jetzt wirklich die "ideal city" geworden ist, die der Walter geplant hat, lässt sich sicher diskutieren. Die breiten Straßen, großen Parkplätze und die Tatsache, dass wir oft die einzigen Fußgänger waren, hatten auf jeden Fall etwas amerikanisches.

Quelle: Wikipedia

Nachdem wir unser Gepäck im Hostel abgeladen hatten, ging es als erstes zu Fuß am künstlichen See vorbei zum National Museum of Australia. Canberra ist übrigens voller Business-Menschen und so fielen wir in Jeans, T-Shirt und Turnschuhen sofort als Touristen auf. Das hatte aber auch seine Vorteile, denn wir mussten nur den Stadtplan aufschlagen und ein bisschen dumm gucken und sofort wurden wir gefragt, ob wir Hilfe bräuchten. Als ob sich die Canberrans über jeden Touri freuen, der sich in ihre Stadt verirrt.

Das Australia Museum fällt mit seiner bunten, verrückten Architektur völlig aus dem Ramen der eintönigen Stadt. Innen drinnen haben wir ein paar spannende Dinge über die australische Geschichte gelernt. 


Anschließenden sind wir kreuz und quer durch die Gegend geschlendert.

 Das Caiptan Cook Memorial führt alle Reiserouten des Entdeckers auf, dessen Leben laut Plakette in einem "unhappy quarrel" 1779 auf Hawai'i ein plötzliches Ende nahm

Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, man müsste doch jetzt mal ins Stadtzentrum oder in die Altstadt kommen, aber sowas gab es einfach nicht. Das tat mir ja schon ein wenig leid für die Canberrans. Nach der Arbeit in den langweiligen Gebäuden gibt es für sie wohl nur die Flucht nach Suburbia...

7pm in Canberra

Abends wollten wir noch etwas trinken gehen und sieh an, direkt um die Ecke vom Hostel war eine Fußgängerzone! Mit Restaurants und Pubs! Da ist mir aber für die Canberrans ein Stein vom Herzen gefallen!


Am zweiten Tag haben wir erstmal schön Canadian Pancakes gefrühstückt, Ehrensache, wo Natalya doch aus Kanada kommt, und die Sonne genossen, die wir in Sydney schon seit zwei Wochen nicht mehr gesehen haben.
Dann wurden Räder gemietet (die Stadt ist zum zu Fuß gehen einfach zu weitläufig), zum ersten Mal seit über zehn Jahren ein Helm aufgesetzt (weil Vorschrift) und los gings auf der linken Straßenseite in Richtung Parlament. Leider haben wir die falsche Abfahrt erwischt und sind einmal um den Capital Hill drum herum gefahren, mussten erst durch einen Tunnel und dann sogar ein paar Meter auf dem Highway auf der Busspur fahren. Na wenn schon, denn schon! Schließlich konnten wir den Parlamentshügel von hinten erklimmen, eine Ankunft mit Stil sieht wohl anders aus...

Das Parliament House auf dem Capital Hill, 1988 von Queen Elisabeth eröffnet, die offiziell übrigens immer noch Head of State ist

Es gibt auf dem Gelände einen Tennis- und einen Fußballplatz, auf dem Julia und Co. ihre Mittagspause verbringen können. 
Das Parlament ist von außen schon sehr schick, mit einem Wasserlauf, rotem Wüstensand und aboriginal Mosaik auf dem Vorplatz. Wir haben eine free tour mitgemacht und uns die ganze symbolisch aufgeladene Architektur des Gebäudes erklären lassen. Sehr spannend und unterhaltsam! 







Marmorfoyer in Eukalyptusfarben

 The House of Representatives, ebenfalls in Eukalyptusfarben

Der Senat in den Schattierungen der Eukalyptusblüte, es war, als hätte ich persönlich die Farbauswahl getroffen!

Die Great Hall mit ihrem 400kg Wandteppich und wie im ganzen Parlament ein picobello polierter Holzboden

Das Parliament House ist in den Capital Hill hineingebaut, so dass man den Politikern auf's grasbewachsene Dach steigen darf und eine tolle Aussicht über die Stadt genießen kann 


Zum Abschluss ging es noch fix zur National Library of Australia, wo grade, tata, eine Austellung aus der Berliner Stabi zum Thema Handschriften berühmter Leute, die man alle in der Oberstufe kennen gelehrnt haben sollte, stattfand.



Ein bisschen Skepsis gegenüber der Stadt ist geblieben, sowie Dankbarkeit, dass mein Austausch mich nicht nach Canberra sondern nach Sydney verschlagen hat. Aber wir haben zwei sonnige, entspannte, lehrreiche Tage mit viel weiter Sicht genossen.

(Photos: some by Natalya, some by me)

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